Blick auf Kudirkos Naumiestis über die Scheschuppe

Kudirkos Naumiestis ist eine kleine Stadt und Sitz des gleichnamigen Amtsbezirks der Rajongemeinde Šakiai in der litauischen Region Suvalkija. Es liegt unweit der Grenze zum Oblast Kaliningrad direkt gegenüber der ehemaligen Stadt Schirwindt (Ostpreußen).

Kaum eine Grenzstadt in Litauen befasst sich offiziell derart mit ostpreußischer Geschichte wie Kudirkos Naumiestis an der Scheschuppe. Der Grund liegt darin, dass engagierte Bürger dieser kleinen Stadt im Kreis Schacken/Šakiai auch heute noch lebhaften Anteil an der tragischen Geschichte von Schirwindt, früher die östlichste Stadt Deutschlands, nehmen. Diese Schwesterstadt im damaligen ostpreußischen Kreis Pillkallen-Schloßberg wurde bekanntlich als erste Ansiedlung auf deutschem Boden in den letzten Monaten des 2. Weltkrieges von der Roten Armee eingenommen und völlig zerstört. Nur einige kümmerliche Gebäudereste sowie der Bodenumriss der einst so stolzen Immanuel-Kirche und die Allee zur Grenzbrücke nach Neustadt zeugen noch von Schirwindt, heute ein gottverlassener Militärposten der russischen Streitkräfte namens „Kutusowo“.

Doch im litauischen Neustadt hat man die früheren Nachbarn westlich der Scheschuppe – die jeweiligen Hauptkirchen lagen nur Luftlinie 1200 Meter voneinander entfernt – nicht vergessen. Als das Schirwindter Gebiet in den Zeiten der Sowjetunion von Neustadt aus noch zugänglich war, gingen Litauer auf Spurensuche. Viel war nicht mehr zu entdecken, denn seit 1945 haben hunderte von Rotarmisten, die in dem zum Manövergebiet deklarierten Gelände Dienst schoben, fast alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Und trotzdem tauchten immer wieder Gegenstände auf: Verrostete Wehrmachts-Stahlhelme, Bierflaschenreste aus der Ponarther Brauerei Königsberg, Handfeuerwaffenteile, Dachziegel und manches mehr.

Der litauische Schmiedemeister und Gewerbelehrer Antanas Spranaitis aus Neustadt tat sich in dem Sammeln Schirwindter Erinnerungsstücke besonders hervor. Nach der politischen Wende intensivierten er und seine Familie die Schirwindt-Forschung. Daraus erwuchs eine „Schirwindter Stube“, die er in der Kellergarage seines Hauses einrichtete. Hier führte Spranaitis immer wieder Jugendliche aus Neustadt und Umgebung durch die Sammlung und erklärte dabei die Geschichte der „verschwundenen Stadt“, des Grenzkreises Pillkallen und der deutschen Provinz Ostpreußen.

Die Sammlung von Antanas Spranaitis, ergänzt durch viel Literatur, mit vielen Fotos, Plänen und Karten, sprengte bald den räumlichen Rahmen. Auf Initiative von Neustädter Offiziellen und des Kreises Schacken bekam der rührige Grenzland-Forscher drei geräumige Zimmer über dem Postamt zur mietfreien Nutzung durch die Schirwindter Stube, vorläufig für zehn Jahre. Über Monate hinweg wurde renoviert, einen Großteil der Kosten übernahm die Stadtgemeinschaft Schirwindt.

Blick in die Schirwindter Stube